Dämmen im Gebäudebestand

Eigentümer von älteren Immobilien sehen sich irgendwann mit der Frage konfrontiert, ob Dämmen, somit eine thermische Sanierung z.B. von Wänden, Decken oder Dächern,  sinnvoll und wirtschaftlich ist. Und wie so oft im Leben – bei der Befragung von drei Personen kommen bisweilen vier verschiedene Meinungen heraus.

Das Thema “Dämmen” oder “thermische Sanierung von Gebäuden” ist sehr komplex und lässt sich in einigen Zeilen nicht wirklich abhandeln. Ob eine Dämm-Maßnahme bauphysikalisch, ökonomisch und ökologisch Sinn macht, hängt von vielen Parametern ab. Und da jedes Gebäude letztendlich ein Unikat darstellt, sind diese individuellen Voraussetzungen in jedem Einzelfall sehr genau zu prüfen. Nachstehend finden sich einige grundlegende Informationen zu wichtigen Fragen in der Baupraxis.

Was schreibt der Gesetzgeber für das Dämmen vor?

Wesentliche Vorschriften zur Wärmedämmung von Gebäuden sind aktuell im sogenannten “Gebäudeenergiegesetz” GEG verankert. Hier finden sich Regelungen sowohl zu Neubauten als auch für den Gebäudebestand. Tatsächliche gesetzliche Verpflichtungen für Nachrüstungen im Gebäudebestand gibt es nur in sehr geringem Umfang. Zunächst sind dies Vorgaben zum Austausch von Heizungsanlagen auf Basis von Öl und Gas. Anlagen, die vor 1985 eingebaut wurden, dürfen seit 2015 nicht mehr betrieben werden. Nach 1985 eingebaute Kessel dürfen maximal 30 Jahre in Betrieb sein, wobei es hier Ausnahmen gibt.

Aus Sicht der Wärmedämmung ist die oberste Geschossdecke zu beachten. Wenn sich darüber ein nicht beheizter und nicht gedämmter Dachraum befindet, so müssen seit dem Jahr 2015 entweder die Decke oder das Dach ausreichend gedämmt sein. Aber auch hier sind Ausnahmen zulässig, z.B. bei Eigennutzung (ohne Verkauf) oder wenn die finanziellen Aufwändungen für die Sanierung die zu erwartenden Kosteneinsparungen nachweislich übersteigen.

Wenn Außenbauteile (Außenwände, Dach, Glaselemente usw.) umgebaut oder erneuert werden, müssen bestimmte, im GEG vorgegebene Mindestanforderungen an die Dämmung erfüllt werden. Vom Gesetzgeber definierte zulässige Wärmedurchgangskoeffizienten, besser bekannt als U-Werte, sind dann einzuhalten. Diese Verpflichtung gilt, wenn vom Austausch oder von der Erneuerung mindestens 10 % der Gesamtfläche des jeweiligen Bauteils betroffen sind. Wenn beispielsweise Fenster auf der Wetterseite ausgetauscht werden sollen und diese weniger als 10 % der Gesamtfläche aller Fenster betragen, bestehen keine Verpflichtungen für die anderen Fenster. Wenn vom Austausch allerdings 30 % der Glasflächen betroffen sind, dann müssen künftig alle Fenster bestimmte Mindestanforderungen nach GEG erfüllen, was de facto wohl zu einem Austausch aller Elemente führt.

Eine Ausnahmestellung nehmen Objekte ein, die dem Denkmalschutz unterliegen. Hier finden im Regelfall die Vorgaben des GEG keine Anwendung.

Wann ist nachträgliches Dämmen sinnvoll?

Um es gleich vorwegzunehmen: Nur bei bestimmten Konstellationen wird es möglich sein, eine thermische Sanierung so zu gestalten, dass sie sich amortisiert, d.h., dass die Einsparung von Energiekosten während der Lebensdauer der Gewerke die getätigten Investitionen übersteigt. Klassische Beispiele hierzu sind etwa der Austausch von sehr veralteten Einfachverglasungen oder Außenwände mit extrem hohen Wärmeverlusten, beispielsweise Bruchsteinmauerwerk. Für das Dämmen im Gebäudebestand existieren Förderprogramme mit zinsverbilligten Darlehen und Zuschüssen. Die technischen Voraussetzungen und Fördermöglichkeiten können durch einen Fachmann ermittelt werden. Aufgrund der Tragweite einer solchen Sanierung kann die Einholung einer zweiten fachkundigen Meinung durchaus empfohlen werden.

In der täglichen Praxis als Gutachter und Sachverständiger ist immer wieder festzustellen, dass das Energieeinsparpotenzial bei einer Sanierung oftmals (auch von Fachleuten) überschätzt wird. Wenn sich z.B. beim nachträglichen Dämmen einer Außenwand der rechnerische Wärmedurchgangskoeffizient (U-Wert) auf 1/3 des früheren Werts reduziert, heißt dies noch lange nicht, dass auch der Energieverbrauch auf 1/3 zurückgeht. U-Werte berücksichtigen beispielsweise keine Wärmespeichereffekte oder solare Wärmeeinträge, die sich in der Baupraxis jedoch auswirken. Auch durch Lüftung geht Wärme verloren, unabhängig davon, ob die Fassade zusätzlich gedämmt wurde oder nicht. Die Baupraxis zeigt auch, dass bei Bestandsbauten der tatsächliche Heizenergiebedarf in zahlreichen Fällen einiges niedriger liegt als dies auf Basis von rechnerischen U-Werten zu erwarten wäre.

Unabhängig von Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit kann die thermische Sanierung eines Gebäudes oder einzelner Bauteile Vorteile bringen und unter Umständen die Gebrauchsfähigkeit und die wirtschaftliche Lebensdauer erhöhen. Nachstehend einige Beispiele:

  • Neue Fenster und Glastüren sind weniger zugig, neigen in der kalten Jahreszeit erheblich weniger zu Pfützenbildung und sind einfacher zu reinigen als z.B. Kastenfenster oder Verbundfenster
  • Durch verbesserte Dämmwirkung an Fassaden oder Dächern erhöht sich die Oberflächentemperatur auf der Raumseite. Dies führt zu einem verbesserten Behaglichkeitsempfinden und kann Schimmelpilzbildung an gefährdeten Stellen im Innenbereich unterbinden
  • Bei bauphysikalisch richtiger Ausführung von Dämmmaßnahmen kann der Feuchtegehalt in Außenbauteilen, insbesondere von Wänden und Dächern, reduziert werden. Neben einem gesünderen Wohnklima lässt sich die Lebenserwartung von Gebäuden oder Gebäudeteilen hiermit insgesamt steigern
  • Wenn Bauteile thermisch überarbeitet werden, können Leitungen, Rohre und Kabel neu verlegt werden. Auf diese Weise lässt sich die Gebäudetechnik ohne große Zusatzkosten modernisieren bzw. auf den aktuellen Stand bringen

Können durch Dämmen auch Nachteile entstehen?

Leider ja. Mängel oder Bauschäden können immer dann auftreten, wenn der bisherige Gebäudebestand bauphysikalisch falsch eingeschätzt wurde oder Fehler bei der Planung bzw. Bauausführung entstehen. Nachstehend einige Fehlerquellen, die unbedingt vermieden werden sollten:

  • Alte Fenster waren häufig undicht und verursachten, oft unbewusst, einen natürlichen Luftaustausch auch im geschlossenen Zustand. Beim Einbau neuer (dichter) Fenster reduziert sich diese Luftwechselrate. Bei zu geringer aktiver Lüftung leidet die Raumluftqualität und das Schimmelpilzrisiko an gefährdeten Stellen kann ansteigen
  • Bei Zusatzdämmungen von Wänden und Dächern muss das Feuchteverhalten der bisherigen Konstruktion (insbesondere Wasserdampfdiffusion) richtig beurteilt werden. Ansonsten ist nach Herstellung der zusätzlichen Dämmschichten Tauwasserausfall in der Konstruktion möglich, was zu schwerwiegenden Bauschäden führen kann
  • Bei Wärmedämmverbundsystemen (= außenseitige Fassadendämmung + Putz) ist die Oberflächentemperatur an der Außenseite deutlich niedriger als vor der Sanierungsmaßnahme. Insbesondere bei Dämmstoffen mit geringer Dichte (vor allem bei Kunststoffschäumen) erhöht sich das Risiko von Kondensation und Veralgung
  • Wer mit seiner Immobilie seine Nachfahren beglücken möchte, sollte vor allem bei der Verwendung synthetischer Dämmstoffe die spätere Entsorgung im Auge behalten. So gelten nach heutigem Wissensstand Dämmungen auf Basis Polystyrol (“Styropor”), zumindest solche, die vor dem Jahr 2014 verbaut wurden, als toxisch und sind dem Grunde nach Sondermüll. Teilweise weigern sich Müllverbrennungsstationen, Polystyrol anzunehmen, teils ist eine Entsorgung nur mit deutlichen Mehrkosten möglich.

Fazit:

Bei der Planung und Umsetzung von thermischen Sanierungen im Gebäudebestand sind Fachkenntnis und Augenmaß erforderlich. Eine tatsächliche Amortisation der aufzuwendenden Kosten wird nur in bestimmten Fällen erreicht. Förderprogramme können die Wirtschaftlichkeit von Sanierungsmaßnahmen klar verbessern. Bei korrekter Umsetzung lassen sich unabhängig von Wirtschaftlichkeitsaspekten der Nutzwert und die Dauerhaftigkeit von Immobilien verbessern. Fehler bei der Planung und/oder Ausführung haben unter Umständen “Verschlimmbesserungen” zur Folge.

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